Der Bundesfinanzhof hat ein wichtiges Urteil für Optionshändler gesprochen. Bislang galt das sogenannte Zu- und Abschlussprinzip bei der Vereinnahmung von Stillhalterprämien für ein Optionsgeschäft in einem Jahr und Zahlung der Glattstellungsprämie in einem anderen Jahr. Dies wurde nun gekippt. Das Urteil und die Folgen daraus, analysieren wir in diesem Blogbeitrag.
Bisherige Regelung der Stillhalterprämie
Seit der Einführung der Abgeltungsteuer ab dem 1.1.2009 sind unter Beachtung des allgemein bei Überschusseinkünften geltenden Zu- und Abflussprinzips des § 11 EStG bei Stillhaltegeschäften mit periodenüberschreitendem Zu- und Abfluss die erhaltenen Stillhalterprämien bei ihrem Zufluss zu versteuern. Aufwendungen für Glattstellungsgeschäfte sind hingegen grundsätzlich erst zum Zeitpunkt ihres Abflusses geltend zu machen. § 20 Abs. 1 Nr. 11 EStG ordnet eine „getrennte” Besteuerung der Stillhalterprämie und der Glattstellungsgeschäfte an, ohne den Barausgleich zu regeln (vgl. BFH, Urteil v. 20.10.2016, VIII R 55/13, BStBl 2017 II S. 264).
Praktisches Beispiel:
- Eine Option wird 2020 verkauft und 100 € Prämie werden eingenommen
- Die Option wurde 2021 für 30 € zurückgekauft (Gewinn 70 €)
- Versteuerung 2020: 100 € Prämieneinnahme
Der Gewinn ist im Jahr 2020 zu versteuern, da die Steuerfestsetzung für das Jahr, in dem eine Stillhalterprämie vereinnahmt worden ist, gilt. Bei einem Cash Secured Put hat dies keine großen steuerlichen Auswirkungen. Werden aber komplexe Optionsstrategien wie ein Butterfly gehandelt, kann dies zu einer extrem hohen Steuerlast führen, obwohl noch kein Gewinn erzielt wurde oder die Position sogar im Minus ist. Daher galt: Alle Short-Optionen zwingend vor Jahreswechsel schließen!
Das Urteil
Sachverhalt: Streitig ist, in welchem Veranlagungszeitraum gezahlte Prämien für Glattstellungsgeschäfte im Zusammenhang mit Einnahmen aus Stillhalterprämien bei periodenübergreifenden Optionsgeschäften steuerlich zu berücksichtigen sind. Nach Auffassung der Klägerin sind sie im Veranlagungsjahr des Bezugs der jeweiligen Stillhalterprämien zu berücksichtigen. Das FG der ersten Instanz entschied dagegen, dass die Aufwendungen für die Glattstellungsgeschäfte im Jahr des Abflusses zu berücksichtigen seien (FG München, Urteil v. 28.9.2021 – 6 K 1458/19).
Die hiergegen gerichtete Revision hatte Erfolg:
- Aufwendungen für die den Stillhalterprämien zugehörigen Glattstellungsgeschäfte mindern nach 20 Abs. 1 Nr. 11 EStG – in Ausnahme zu § 11 Abs. 2 Satz 1 EStG (sog. Abflussprinzip) – die Einnahmen in dem VZ, in dem die Stillhalterprämien vereinnahmt wurden.
- Es handelt sich insoweit um ein rückwirkendes Ereignis i.S. des 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO.
- Ergibt sich dabei für das einzelne Stillhalter-/Glattstellungsgeschäft ein Verlust (eine negative Differenz), ist dieser abzugsfähig und unterliegt nicht dem Werbungskostenabzugsverbot nach 20 Abs. 9 EStG.
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) tätigte diverse Optionsgeschäfte. Im Streitjahr (2013) tätigte sie folgende periodenübergreifende Stillhalter- und Glattstellungsgeschäfte:
– Sie schloss am 06.03.2013 jeweils Glattstellungsgeschäfte (Glattstellungsgeschäfte 1) ab, die zu Aufwendungen in Höhe von 234.046,55 € und 119.065,83 € führten. Diese betrafen Kauf- (Zufluss der Stillhalterprämien im Jahr 2012 in Höhe von 221.975,42 €) und Verkaufsoptionen (Zufluss der Stillhalterprämien im Jahr 2012 in Höhe von 207.530,41 €) auf den Deutschen Aktienindex mit unterschiedlichen Basispreisen, die sie am 18.12.2012 eingeräumt hatte.
– Am 19.12.2013 räumte sie Kauf- (Zufluss der Stillhalterprämien im Streitjahr in Höhe von 408.688,50 €) und Verkaufsoptionen (Zufluss der Stillhalterprämien im Streitjahr in Höhe von 496.390,50 €) ein und tätigte bezüglich dieser Kauf- und Verkaufsoptionen am 21.01.2014 jeweils Glattstellungsgeschäfte (Glattstellungsgeschäfte 2), die zu Aufwendungen in Höhe von 571.490,13 € und 380.427,66 € führten.
Praktisches Beispiel nach der neuen Regelung:
- Eine Option wird 2020 verkauft und 100 € Prämie werden eingenommen
- Die Option wurde 2021 für 30 € zurückgekauft (Gewinn 70 €)
- Versteuerung 2020: 70 € Prämieneinnahme (alte Regelung 100 €)
Der Bundesfinanzhof hat der Klägerin recht gegeben und Aufwendungen, für die den Stillhalterprämien zugehörigen Glattstellungsgeschäfte mindern die Einnahmen aus dem Veranlagungszeitraum, in dem die Stillhalterprämien zugeflossen sind. Dennoch kommt es nun zu einigen praktischen Problem, die wir im nächsten Abschnitt behandeln.
Praktische Probleme
Mit dem Urteil gibt es nun einige praktische Probleme, nehmen wir hierzu eine Option, die 5 Jahre Laufzeit hat. Nach dieser Regelung müsste ein 5 Jahre alter Bescheid rückwirkend geändert werden. Dazu bleibt offen, wie dies deutsche Banken mit der sofortigen Einbehaltung der Abgeltungsteuer regeln, dies wurde in diesem Urteil nicht explizit entschieden.
Tipp: Wenn möglich, alle Short-Optionen zum Jahresende weiterhin schließen!
Fazit
Der Bundesfinanzhof hat der Klägerin recht gegeben und Aufwendungen, für die den Stillhalterprämien zugehörigen Glattstellungsgeschäfte mindern die Einnahmen aus dem Veranlagungszeitraum, in dem die Stillhalterprämien zugeflossen sind. In der Praxis ergeben sich hier aber weitere Probleme, denn bei sehr langlaufenden Optionen müssten Bescheide, die jahrelang her sind, noch geändert werden. Wir empfehlen daher weiterhin: Alle Short-Optionen zum Jahresende zu schließen!
Joe meint
Vielen Dank !!
Dennis meint
Was ein Schwachsinn! Andersherum würde es Sinn ergeben, wenn auch die Prämieneinnahme erst im Jahr der Glattstellung steuerlich relevant ist.
Aber so ist das doch totaler Nonsens und bringt doch letztendlich auch gar keinen Vorteil. Die Steuerlast aus dem Jahr der Prämieneinnahme muss ich doch dann trotzdem erstmal zahlen, auch wenn der Bescheid dann in ein paar Jahren nachträglich korrigiert wird. Das kann doch kein Mensch mehr nachvollziehen.
Bernhard meint
Ich habe genau das gleiche gedacht. Wer soll da noch durchblicken.
Peter meint
Das Urteil ist zu begrüßen. Vor allem, wenn man regelmäßig Optionen schreibt um regelmäßiges Einkommen zu generieren. Bisher war man praktisch gezwungen am Jahresende die Optionen glattzustellen, damit man steuerlich besser rechnen konnte. Jetzt muss man nicht aus rein steuerlichen Gründen zum Jahresende schließen. Da in den von mir beschriebenden Trades die Schließung bzw. das Auslaufen der Optionen zeitnah erfolgt, ist es auch steuerlich kein besonderes Problem. Korrekturen von Steuerbescheiden gibt es so idR nicht, weil die Steuererklärung erst im Lauf des Jahres erstellt wird. Etwaige Korrekturen bei der Abgeltungssteuer, die von den Depotbanken im folgejahr vielleicht nicht mehr erfolgen können, können dann im Rahmen der Steuererklärung erfolgen. Wobei die Abgeltungssteuer ja nur eine Rolle spielt, wenn man die überteuerten inländischen Broker/Banken bemühen muss 🙂
Frank Mauer meint
Vielen herzlichen Dank für die hervorragende Zusammenfassung! Ich gehe davon aus das diese Entscheidung erst einmal nicht im Bundessteuerblatt erscheinen wird und somit keine (sofortige) bindende Wirkung für das FA hat.
Frage
1. Bedeutet das in der Praxis das ich weiterhin die alte Regelung in Anspruch nehmen kann und den gesamten Rückkaufwert als negativen sonstigen Kapitalertrag im neuen Jahr verbuchen kann?
2. Beispiel Einnahme Optionsprämie im Jahr 2022 ohne steuerlichen Wohnsitz in D und Rückkauf in 2023 mit (eventuellem) Wohnsitz in Deutschland? Ist das so richtig?
Vielen Dank!
Petr meint
Deine einleitenden Worte sind korrekt. Als Steuerbürger kann man sich auf die neueste Rehtsprechung des BFH berufen, das Finanamt wird hingegen vorerst die bisherige Auffassung, die ja immerhin auf das geltende Zufluss-Abfluss-Prinzip zurückgeht, vertreten.
Zur Frage 1: Ja
Zur Frage 2: Jetzt wird’s international :). Eine Versteuerung der Prämie im Jahr 2022 in D kommt mangels Wohnsitz nicht in Betracht. Hierfür ist die Besteuerung im bisherigen Land maßgeblich. Aber was ist in 2023 mit dem Glattstellungsgeschäft? Ich tendiere zum Versage neines negativen Ansatzes. Es gibt in D nichts glattzustellen, daher gibt es auch keinen Abzug. Ehrlich gesagt, außer dieser Tendenz kann ich mit nichts dienen.
Frank Mauer meint
Der Gesetzgeber sieht die Eröffnung und Schliessung eines Stillhaltergeschäftes ja explizit als komplett unabhängig von einander an. Ich habe bisher Null zu diesem internationalen Thema gefunden. Vielleicht kann ja hier der sehr geschätzte Verfasser des Blog Eintrages eine völlig unverbindliche Einschätzung abgeben. Eine Veröffentlichung des Urteils im Bundessteuerblatt würde natürlich wieder alles ändern.
Ashley meint
Grundsätzlich werden im Bundessteuerblatt Entscheidungen veröffentlich, die zuvor in förmlichen Gesetzgebungsverfahren entstanden sind, sie sind damit bindend für alle (Bürger, Verwaltung). Die BFH- Urteile sind aber auch bindend, aber nur für die Verwaltungen bzw. Finanzämter, sie dienen dem Steuerpflichtigen nur als Orientierung.
Ich weiß allerdings auch nicht, ob diese „bindende“ Vorschrift für die Finanzämter in der Praxis direkt, ab Urteil also, auch umgesetzt wird muss ich gestehen.
Frank Mauer meint
BFH Urteile sind im allgemeinen NICHT bindend, da sie als Einzelfall Entscheidung vom FA gewertet werden IMHO. Erst die Veröffentlichung im Bundessteuerblatt macht die Entscheidung bindend. Bitte mal eine Quelle nennen, vielleicht irre ich mich.
Frank Mauer meint
Nachtrag: Hier der Passus aus dem BMF Schreiben vom 19.05.2022 RZ 25
Schließt der Stillhalter ein Glattstellungsgeschäft ab, sind die gezahlten Prämien und die damit im
Zusammenhang angefallenen Nebenkosten ZUM ZEITPUNKT DER ZAHLUNG als negativer
Kapitalertrag in den sogenannten Verlustverrechnungstopf im Sinne des § 43a Absatz 3 Satz 2
EStG einzustellen.
Dies geht meines Erachtens in die von mir gewünschte Richtung, auf den Gewinn wird ja explizit nicht abgestellt, da die Prämie ja bei Erhalt als zugeflossen gilt. Eine Einschränkung das bei Stillhalter Eröffnung eine Steuerpflicht in D bestehen muss kann ich nicht erkennen. Bitte freundlich um Einschätzung von Herrn Steuerberater Konewka, vielen herzlichen Dank!
Mathias meint
Spannend! Am einfachsten sind halt doch die 0-DTE-Strategien 😛
Diese extremen Langläufer werden wohl eher die Großen handeln, den gewöhnlichen Trader mit Einkommenstrades, etc. wird das m.E. weniger treffen. Wenn die Glattstellung im ersten Quartal erfolgt ist meist eh die Steuererklärung noch nicht erledigt – da, zumindest ich, bei manchen Banken bis Ende März auf notwendige Unterlagen warten muss.
Michael meint
Würde das Urteil sinngemäß auch für Barausgleiche im Folgejahr gelten?
Amat meint
Die Besteuerung von Optionen in Deutschland ist ein echtes Kauderwelsch und ein Höchstmaß an Willkür.
Ich kenne ein paar andere EU-Steuersysteme, und die sind viel klarer und weniger verworren mit Optionen.
Das Gerichtsurteil, das die Verrechnung von Aufwendungen mit Erträgen aus Optionen, die in verschiedenen Jahren getätigt wurden, erlaubt, kann, wie im Beitrag erwähnt, im Falle von Optionen mit langen Laufzeiten zu Komplikationen führen.
Ich meine mich zu erinnern, dass die Frist für die Abgabe von Steuererklärungen in Deutschland Ende September abläuft. In einem solchen Fall können wir nur Optionen aus den vergangenen Jahren mit der entgegengesetzten Transaktion verrechnen, die bis Ende September des folgenden Jahres getätigt wurde. Die Möglichkeit der Saldierung kann in einigen Fällen eine bessere Steueroptimierung ermöglichen, aber sie macht auch ein ohnehin schon schwerfälliges System noch komplizierter